München kann ja vieles sehr gut. Zum Beispiel Museen bauen. Und Volksfeste feiern. Und vielleicht sogar generell alles was mit Geld zu tun hat und reichen und angepassten Leuten Spaß macht.
Manches kann München nicht so gut. Zum Beispiel moderne Ladenöffnungszeiten. Oder Kioskkultur. Das ist nicht so schlimm, daran kann man sich gewöhnen. Woran ich mich aber ganz und gar nicht gewöhnen kann: München versagt meist völlig dabei, die Stadt auch für Leute lebenswert zu erhalten, die nicht in das Muster „reich und angepasst“ hineinpassen. Was ja sehr schade ist, wenn man bedenkt, dass dies ja eigentlich für die meisten Menschen gilt. Selbst in München.
Diese – nennen wir sie mal – Durchschnitts-Bürger müssen sich zur Zeit – und ich spreche da aus eigener Erfahrung – auf den Kopf stellen, um eine bezahlbare und trotzdem einigermaßen nette Wohnung in Zentrumsnähe zu bekommen. Und werden damit zum Teil des Problems, denn wir frisch Zugereisten akzeptieren ja diese hohen Mietpreise. Wenn wir es nicht tun, dann tut es halt jemand anderes. Die Verhandlungsposition ist halt denkbar ungünstig, wenn man einer von ca. 30 potentiell geeigneten Miet-Interessenten (oder besser: Miet-Bewerbern) ist. Das begreift man spätestens wenn man die fünfte Absage für eine Wohnung bekommen hat. So steigt der Grad der Selbsterniedrigung in Form von Makler-Schleimereien und schwülstigen Mietbewerbungen mindestens so rasant wie die Mietpreise. Und wenn ICH mich schon hilflos fühle gegen diese Übermacht aus Maklern, Vermietern und Immobiliengesellschaften, dann möchte ich nicht wissen, wie sich eine Rentnerin fühlt. Oder eine alleinerziehende Mutter. Oder allgemein jemand mit einem Unter-Durchschnittsjob, der auf die wahnwitzige Idee kommt, trotzdem in der Stadt wohnen zu wollen.
Solche Leute (genau wie ich) würden wer weiß was dafür geben, wenn Sie eine Wohnung hätten, wie sie in dem Haus in der Pilotystraße Nummer 8 zu finden ist. Und das gleich mehrfach. Und jede von ihnen steht schon seit Jahren leer: Riesige Altbaupaläste in traumhafter Lage. Natürlich arg renovierungsbedürftig nach Jahren des Leerstandes. Warum in ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals mehr jemand wohnen wird, und warum wir normalen Leute allgemein von der Stadt München eher wenig Hilfe bei der Wohnungssuche erwarten können, macht die Aktionsgruppe Goldgrund am Sonntag nachmittag sehr eindringlich bewusst. Kurzerhand wird eine für das Atomic Cafe angekündigte Kunstaktion in die Pilotystraße verlegt. Selbst Bayrischer Rundfunk (Beitrag hier) und Süddeutsche berichten darüber (weshalb ich mir jetzt Details spare), was wohl auch wesentlich an der hohen Prominentendichte lag. Außer Jochen Busse und Sabine Nallinger (die ein paar brauchbare Ideen zum Thema zu haben scheint) habe ich natürlich niemanden erkannt, aber ich habe im Nachgang gelesen, dass auch Mehmet Scholl, die Hälfte der Sportfreunde Stiller und ein Typ namens Gerhard Polt (ja, ich habe noch Nachholbedarf was Münchner Kultur betrifft) anwesend waren. So wuseln dann einige Hundert freundliche Menschen durch die Stockwerke von Haus und Hinterhaus, und lassen sich von Musik-Performances und Kabarett, die Laune aufbessern, die ihnen zwischendurch von den diversen Informationsständen zu Gentrifizierung und Entmietung immer wieder versaut wird. Die Stimmung ist deshalb trotz des ernsten Themas super – ungefähr genauso freundlich und entspannt wie sie im Atomic Cafe, München 72, Ruby Bar, Cafe Gap und (vermutlich auch) der Fraunhofer Schoppenstube immer war. Leider sind freundliche und entspannte Orte offensichtlich die ersten Opfer der Gentrifizierung. Es ist ein Jammer, dass die Stadt München den Wert dieser Orte so wenig schätzt.
Ich erwarte, dass eine Stadtregierung sich nicht selbst wie ein Immobilienhai verhält, sondern dass sie sich schützend zwischen ihre Bürger und die Haie stellt. Ich will keine Ausreden hören, wie sie zum Beispiel in der Stellungnahme zur Petition gegen den Luxusneubau in der Franhoferstraße zu lesen sind. Es ist erbärmlich, wenn eine Stadt so tut, als sei sie hilflos gegen ihre eigene Verschandelung. Wenn sie wirklich aktuell keine Handhabe hat, dann muss sie diese halt schaffen. Oder zumindest das Gefühl vermitteln, dass sie auf der Seite ihrer Durchschnitts-Bürger steht. Manchmal habe ich eher das Gefühl, der Durchschnitt ist ihr nicht gut genug. Armes München.